Deutsches Wanderinstitut

Wandern und Gesundheit

Wissensstand

Franziska Thiele, Carola Steinmark, Diana Müller, Julia Blume, Heinz-Dieter Quack

Bewegung ist gesund! Regelmäßige Bewegung, wie beim Wandern, steigert nicht nur das aktuelle Wohlbefinden, sondern wirkt sich auch langfristig positiv auf die Entwicklung von Körper und Geist aus. 2007 veranstaltete das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam mit der Tourismus Zentrale Saarland den ersten bundesweiten Gesundheitskongress Wandern zum Thema "Regeneration durch Natur"; im Jahr 2010 wurde die Veranstaltung unter einem stärker touristischen und praxisorientierten Fokus fortgesetzt. Eine Studie des Deutschen Wanderverbands untersuchte danach erstmalig, welche körperlichen Effekte das Wandern auslöst. Zentrales Ergebnis der 7-wöchigen Vergleichsstudie ist, dass sich bereits kürzere Distanzen und moderate Strecken positiv auf die Gesundheit auswirken. Die tatsächlichen körperlichen Wirkungsmechanismen des Wanderns auf die Gesundheit sind jedoch bisher nicht bis ins Detail geklärt. Im Folgenden werden die Forschungsansätze unterschiedlicher Disziplinen zusammengefasst dargestellt.

Psychische und physische Gesundheit

In der Sport- und Gesundheitspsychologie werden die Zusammenhänge zwischen sportlicher Aktivität, seelischer Gesundheit und subjektivem Wohlbefinden erforscht. In der Sport- und Bewegungsmedizin wird darüber hinaus der Einfluss von sportlicher Aktivität auf die Prävention und Therapie von Krankheiten (z.B. Adipositas oder Demenz) und die Förderungsmöglichkeiten von mehr Bewegung im Alltag von Menschen betrachtet. Der Einfluss von Bewegung auf die psychische Gesundheit wird in Untersuchungen zum Stressempfinden, zur Linderung von Depressionen oder auch affektiven Reaktionen, wie z.B. aufkommenden Gefühlen oder Veränderungen der Stimmung betrachtet. Andere Untersuchungen wenden sich dem Einfluss von Bewegung auf die physische Gesundheit, z. B des Herz-Kreislauf-Systems, dem Bluthochdruck oder Diabetes zu. So wurde jüngst bestätigt, dass sich wöchentliches Wandern gerade bei älteren Personen mit Bluthochdruck positiv auswirken kann.

Prävention und Therapie

Physische und psychosoziale Gesundheitswirkungen lassen sich in 3 Perspektiven kategorisieren: Eine präventive Perspektive, eine problembewältigende Perspektive (z. B. bei chronischen Krankheiten, Stresswahrnehmung) und eine ressourcenstärkende Perspektive (Selbstkonzept, aktuelle Stimmung). In Längsschnittstudien, bei denen dieselben Daten über einen längeren Zeitraum immer wieder erhoben und verglichen werden, untersucht man die Auswirkungen sportlicher Aktivität auf die Stärkung der Gesundheit, auf die Gesundheitsprävention, auf die Therapie von Krankheiten und damit auch auf die Verbesserung des langfristigen Wohlbefindens. In Querschnittsstudien (Daten werden nur einmalig erhoben) geht es meist um das aktuelle Wohlbefinden und die kurzfristige Verbesserung der mentalen Gesundheit durch eine bestimmte Aktivität, wie z.B. das Wandern. Wandern, Gehen, Laufen und Radfahren sind z. B. nachweislich gesundheitsfördernd und helfen bei der Bewältigung von Stress. Entscheidend ist dabei weniger die Intensität als vielmehr die Kontinuität der körperlichen Aktivität.

Landschaft und Gesundheit

In Japan wird seit über zehn Jahren erforscht, welchen Einfluss "Shinrin-yoku", d. h. das "Waldbaden - Einatmen der Waldatmosphäre", auf die mentale und physische Gesundheit und besonders auf das Stressempfinden hat. Eine eigene medizinische Forschungsrichtung hat sich mittlerweile etabliert: Die „Forest medicine“. Die Mediziner konzentrieren sich dabei auf die Erfassung von Aktivitäten im zentralen und im vegetativen Nervensystem sowie biochemischen Reaktionen bei der Regulation von Stress. Sie gehen von einer therapeutischen Wirkung des Waldes als Ganzes, aber auch seiner einzelnen Elemente, auf unsere Sinnesorgane aus. Vergleiche zur Kneipp-Therapie werden dabei gezogen. In Feld- und Laborexperimenten vergleichen die japanischen Forscher die Ergebnisse von Probanden in einer Waldumgebung mit denen von Probanden in einer städtischen Atmosphäre. Zur Messung der Aktivitäten im zentralen Nervensystem wird die absolute Hämoglobinkonzentration im Blut bestimmt. Veränderungen im vegetativen Nervensystem werden anhand des Blutdrucks, der Puls- und Herzfrequenz erfasst, Faktoren bei der Stressregulation mit Hilfe von Speicheluntersuchungen.

Über Fragebögen erfasst man das subjektive Empfinden. Die Ergebnisse zeigen signifikante Unterschiede zwischen der Untersuchungsgruppe im Wald und der Kontrollgruppe in der Stadt u.a. z. B. bei der Hämoglobinkonzentration und der Cortisolkonzentration im Speichel. In mehreren Studien konnte der Erholungseffekt und die Reduktion von Stress durch Shinrin-yoku nachgewiesen werden. Auch die psychologischen Messungen nach dem Gehen und bei der Betrachtung des Waldes unterstützen die Ergebnisse. Im Wald fühlen sich die Probanden wohler, ruhiger und aufgeweckter als in der Stadt.

Eine im Jahr 2005 von Forschern der „Forest Medicine“ in Japan durchgeführte Studie zur NK-Leukozytenaktivität ergab bei den 12 Probanden eine signifikante Erhöhung der körperlichen Abwehrkräfte durch das „Waldbaden“. Bis zu 30 Tage nach einem mehrtägigen Waldbaden waren Anzahl und Aktivität der Killerzellen gegenüber dem normalen Arbeitsalltag signifikant erhöht. Die Forscher gehen aufgrund der Ergebnisse davon aus, dass „Waldbaden“ den Körper widerstandsfähiger gegenüber Krebserkrankungen machen kann.

In dem weltweit ersten medizinisch-sportwissenschaftlichen Forschungsprojekt AMAS 2000 (Austrian Moderate Altitude Study) wurden in den Jahren 1998 bis 2000 die gesundheitlichen Aspekte eines Bergurlaubs in unterschiedlichen Höhenlagen untersucht. Die Höhenstudie belegt wissenschaftlich, dass sich ein Aktivurlaub in unterschiedlichen Höhenlagen nachweislich positiv auf den menschlichen Gesundheitszustand auswirkt. Zu den wesentlichen Erkenntnissen gehört beispielsweise die Verbesserung von Herzfrequenz und Blutdruck. Hierbei konnte ein Einfluss der Höhenlage gemessen werden.

Auf Grund der hohen Komplexität konnten in den bisherigen Studien nicht alle Zusammenhänge restlos geklärt werden. Forschungsbedarf besteht vor allem in der differenzierten Betrachtung einzelner Aktivitäten, wie z. B. dem Wandern, und in der Verknüpfung von physischen mit psychologischen Wirkmechanismen. Bei den bisherigen Untersuchungen zum Bewegungs-Befindens-Zusammenhang bleiben weitere Einflussfaktoren, wie z. B. Natur und Landschaft bzw. die Kombination von Einzelfaktoren in der Umgebung die zum Wohlbefinden führen, unberücksichtigt. Dabei haben u. a. Landschaftspsychologen bereits festgestellt, dass Menschen auf bestimmte Landschaftstypen, -bereiche, -elemente und -eigenschaften unterschiedlich reagieren. So können sich z. B. Menschen in Natur und Landschaft nur dann wohlfühlen, wenn sie sich intuitiv orientieren können. Die Berücksichtigung von gesundheitlichen Effekten des Wanderns und die Auswirkungen der landschaftlichen Umgebung sowie der damit verbundene dynamische Prozess des Erlebens sollten in Forschung und Praxis in Zukunft stärker Berücksichtigung finden.

Downloads: